Dieses Gefühl der völligen Freiheit werde ich nie vergessen!
Mein erstes Fastenerlebnis hatte ich 1989, ich war gerade 25 Jahre alt. Eigentlich hatte ich mit Fasten nichts am Hut, obwohl – oder vielleicht gerade weil – ich dabei war, mein Studium der Ernährungswissenschaften zu beenden.
Doch auf Einladung meines älteren Bruders, der gerade seine Ausbildung zum F.X. Mayr Arzt abgeschlossen hatte, wurde ich eine seiner ersten Patientinnen.
Drei Wochen lang machte ich die FX Mayr Kur, lernte beim täglichen Kauen der altbackenen Semmel, wie wenig ich brauche, um satt zu werden und wie viel Energie mir das wenige Essen gibt. Es war für mich, die ich ein Genussmensch bin und für mein Leben gern esse, völlig überraschend, wie wenig mir „richtiges“ Essen abging.
Gegen Ende der Kur unterbrach ich den Aufenthalt im Kurhotel, um bei einem lange geplanten Fest dabei zu sein. Alle bedienten sich beim reichhaltigen Buffet, tranken, unterhielten sich und lachten. Ich trank mein Wasser, unterhielt mich und lachte mit und fühlte mich so frei und lebendig, wie noch nie zuvor in meinem Leben.
Die Erinnerung an dieses Gefühl des völligen „Daheimseins“ in meinem Körper ohne etwas haben zu müssen, werde ich nie vergessen. Ich spürte die Bedürfnisse meines Körpers klar und konnte sie respektieren, auch wenn das hieß, anders als gewohnt zu handeln.
Mein Lebensstil veränderte sich nach diesem Erlebnis stark – für eine Weile gab es abends nur Treffen mit Freunden, bei denen etwas anderes als gemeinsames Essen im Vordergrund stand. Dafür bürgerte es sich bei uns ein, am Wochenende gemeinsam zu brunchen.
Zwei wesentliche Veränderungen, abends nichts oder maximal eine Suppe zu essen und gegen 22.00 Uhr (das ist für mich relativ früh) schlafen zu gehen, hielten sich sehr mühelos für ca. 9 Monate, dann färbte der Lebensstil meiner Umwelt wieder auf mich ab. Ein gemeinsames Abendessen da, eines dort und dann war es irgendwann wieder normal, dass es auch im Alltag mehr als nur Suppe zum Abendessen gab.
Heute weiß ich, dass viele Menschen diese Erfahrung machen. Da wir nun in einem sozialen Gefüge leben und sich die Gewohnheiten einer größeren Gruppe langsamer ändern als die von Einzelnen, ist es fast normal, sich nach ca. 6-9 Monaten wieder dabei zu ertappen, wieder im altbekannten Fahrwasser gelandet zu sein. Meist wird man darauf aufmerksam, wenn der Körper sein Missfallen in Form von kleinen Beschwerden kundtut. Die (körperliche wie geistige) Trägheit wird stärker, man braucht öfter und stärkere Geschmacksimpulse, um sich gesättigt zu fühlen. Und irgendwann kommt der Punkt, wenn der Wunsch nach der einmal erlebten Leichtigkeit und Vitalität wieder größer wird als die Macht der Gewohnheit.
Spätestens das ist dann der richtige Zeitpunkt für einen Fastenimpuls, um wieder auf den eingeschlagenen Weg zu mehr Leichtigkeit im Leben zurück zu kehren.
Glücklicherweise gab es auch ein paar „irreversible“ Veränderungen, die meinen Lebensstil seit meiner ersten Fastenkur prägen.
Das ist die Gewohnheit, mindestens vier Stunden zwischen den Mahlzeiten nichts zu essen. Diese prägt meinen Alltag, oft werden aus den vier Stunden auch mehr. Natürlich gibt’s Ausnahmen, Familienfeste, Urlaub usw. – dann genieße ich das Schlemmen auch. Aber nach ein paar Tagen spüre ich den Wunsch nach Pause so deutlich, dass die Rückkehr zum maßvollen Essen mehr inneres Bedürfnis als Willensakt ist. Vor meiner ersten Fastenerfahrung kannte ich dieses Bedürfnis nicht.
Ein wesentliches Prinzip der FX Mayr Kur ist neben der Säuberung und Schonung des Darms die Schulung der Essgewohnheiten. Mit Schulung ist ausgiebiges Kauen und Einspeicheln der Nahrung gemeint, die beim Fasten nach FX Mayr durch Verwendung eines Kautrainers (im Original eine altbackene Semmel, im modernen Kontext werden auch getrocknete Kokoschips oder ähnliches verwendet) erreicht wird.
Die Schulung der Essgewohnheiten während meiner ersten Fastenkur war so einprägsam, dass ich sie in meinen Alltag mitgenommen habe. Das gründliche Kauen und Einspeicheln jedes Bissens erhöht den Genuss beim Essen ungemein. Der einzige Nachteil: ich bin IMMER die letzte, die mit dem Essen aufhört.
Natürlich gibt es auch Phasen, in denen ich genau das Gegenteil mache – nämlich wahllos irgendwas in möglichst kurzer Zeit in mich hineinzustopfen. Entweder, um mich zu beruhigen oder um mich zu erden. Zum Glück kann mein Körper mit diesen kurzen Phasen der Belastung gut umgehen.
Im Laufe von vielen Jahren mit mehr oder weniger regelmäßigen Fastenzeiten habe ich sehr viel über mich, die Bedürfnisse meines Körpers und seine Grenzen gelernt.
Der vielzitierte innere Schweinehund ist auch mein treuester Begleiter. In all den Jahren sind wir ein gutes Team geworden und er unterstützt vermehrt Gewohnheiten, die mich auf allen Ebenen stärken. Wenn er zeitweise mal gehörig in eine andere Richtung zieht, bringt mich das nicht ab vom eingeschlagenen Weg, sondern nur in dessen Randbereiche.
So bin ich dankbar für dieses erste Fastenerlebnis, das mein Vertrauen in die Regulationsfähigkeit meines Körpers geweckt hat. Und das mir gezeigt hat, wie viel besser ich mich fühle, wenn ich immer wieder mal Essenspausen einlege.
Zutiefst dankbar bin ich dafür, in einem Umfeld der Fülle zu leben. So ist es nicht eine äußere Notwendigkeit zu hungern, sondern ich entscheide, wann und ob ich esse oder nicht.
Ich erlebe Fasten als ein Geschenk, das ich mir und meinem Körper mache. Das Unnötige weglassen, um das Wesentliche zu finden.
Was hat mich zum Fasten gebracht?
Gegen Ende meines Studiums der Ernährungswissenschaften in den 1980ern arbeitete ich in der Forschung auf der Universitätskinderklinik Wien. Dabei war natürlich viel Literaturrecherche nötig. Bei der Durchsicht vieler Studien bekam ich selten befriedigende Antworten auf meine Fragen. Im Gegenteil, sehr oft taten sich mit den Ergebnissen der Studien neue Fragen auf, die im wissenschaftlichen Kontext nicht zu beantworten waren.
Daher suchte – und fand – ich Antworten in Bereichen jenseits der naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise. Die Herangehensweise der Stärkung der Selbstheilungskräfte des Körpers zur Prävention oder auch Behandlung von Krankheiten erschien mir schon damals als zweckdienlicher als die Beschäftigung mit Symptomen und Konzentration auf deren Beseitigung.
Just zu dieser Zeit machte mein Bruder die Ausbildung zum FX Mayr Arzt und gab mir diese beiden Büchlein zum Lesen. Ich las sie wie Krimis.
Das Faszinierendste war, das es laut Dr. Mayr möglich sein sollte, mit einfachen allgemeinen Maßnahmen so viele und verschiedenartige Beschwerden zu lindern.
Daher stellte ich mich ein paar Monate später gern als Versuchskaninchen zur Verfügung und machte meine erste Fastenerfahrung in Form einer FX Mayr Kur. Seitdem bin ich ein Fan vom Fasten und überzeugt davon, dass weniger mehr ist für Gesundheit von Körper, Geist und Seele.